- Exkurs Kompressionsneuropathien - Pascale Gränicher Am 11. und 12. April 2025 findet an der Universitätsklinik Balgrist der zweitätige Kurs mit Prof. Annina Schmid zum Thema «Neuropathien verstehen: Effektive Therapiemethoden» statt. In diesem Rahmen möchten wir mit diesem Blog auf ein oft unterschätztes, aber physiotherapeutisch relevantes Thema aufmerksam machen: Endometriose. Diese systemische Erkrankung betrifft viele Frauen und kann in schweren Fällen sogar zu Nervenkompressionen führen – ein Aspekt, der in der physiotherapeutischen Praxis besondere Beachtung verdient. Endometriose ist eine oft schmerzhafte Erkrankung, von der schätzungsweise 10% der Frauen im reproduktiven Alter betroffen sind [1]. Dennoch bleibt sie häufig unerkannt oder wird erst nach Jahren diagnostiziert. Dabei «verirren» sich Zellen der Gebärmutterschleimhaut ausserhalb der Gebärmutterhöhle, beispielsweise in den Becken- oder Bauchraum [2]. Da Endometriose weitreichende Auswirkungen auf den Bewegungsapparat haben kann, ist sie auch für Physiotherapeut*innen ein relevantes Thema. Fehldiagnosen und Übersehene Zusammenhänge Eine der grössten Herausforderungen ist die Überschneidung der Symptome mit anderen muskuloskelettalen Beschwerden. Frauen mit Endometriose berichten oft über lumbale Rückenschmerzen, Beckenschmerzen oder myofasziale Beschwerden, die als unspezifische Rückenschmerzen oder muskuläre Dysfunktionen fehldiagnostiziert werden können [2]. Da Endometriose zu Adhäsionen und entzündlichen Reaktionen führt, kann dies zu funktionellen Einschränkungen der Beckenbodenmuskulatur und der umgebenden Strukturen führen. So können in seltenen, aber klinisch relevanten Fällen, auch die Nerven im Becken, beispielsweise durch Kompression, beeinträchtigt werden [3]. Symptome können von Inkontinenz über Schmerz, Schwäche, Lähmungserscheinungen oder Taubheit reichen [3, 4]. In solchen Fällen ist eine möglichst frühe Diagnose, beispielsweise mittels MRI wichtig, um irreversible Schädigungen zu vermeiden [4]. Beeinflussung der Wundheilung und Rehabilitation Frauen mit Endometriose haben häufig eine veränderte Immunantwort und eine erhöhte systemische Inflammation [5]. Dies kann potenziell die Wundheilung nach Operationen oder Verletzungen beeinträchtigen und die Dauer der Rehabilitation verlängern. Therapeut*innen sollten dies insbesondere bei posttraumatischen oder -operativen Patientinnen mit Endometriose berücksichtigen und Anpassungen im Therapieverlauf vornehmen. Besondere Herausforderungen in der physiotherapeutischen Behandlung Physiotherapeut*innen sollten sich der möglichen Schmerzsensibilisierung bewusst sein, die bei Patientinnen mit Endometriose auftreten kann. Zentralisierte Schmerzmechanismen können dazu führen, dass Betroffene empfindlicher auf manuelle Therapie oder andere physikalische Reize reagieren. Hier können Hands-off Interventionen wie Beckenbodentraining, Körperbewusstseinsübungen oder gezielte Entspannungstechniken zielführender sein [6]. Zudem wird regelmässige körperliche Aktivität mit individualisierter Intensität, beispielsweise eine Kombination von Ausdauertraining, Yoga und Stretching für eine Verbesserung des physischen und mentalen Wohlbefindens empfohlen [7]. Anamnese und Sensibilität für das Tabuthema Ein weiteres Problem ist, dass viele Frauen mit Endometriose gar nicht wissen, dass sie betroffen sind [2]. Da das Thema oft stigmatisiert wird, sind viele Patientinnen zurückhaltend, über Menstruationsschmerzen oder gynäkologische Beschwerden zu sprechen. Physiotherapeut*innen können hier eine wichtige Rolle spielen, indem sie in der Anamnese behutsam nach typischen Symptomen fragen, z.B.:
Fazit Endometriose ist eine systemische Erkrankung mit vielfältigen muskuloskelettalen Auswirkungen, die in der physiotherapeutischen Praxis berücksichtigt werden sollten. Eine differenzierte Anamnese, ein sensibler Umgang mit dem Thema sowie gezielte physiotherapeutische Massnahmen können dazu beitragen, die Lebensqualität betroffener Patientinnen zu verbessern. Durch aufmerksames Zuhören und vorausschauendes Handeln lässt sich möglicherweise das Risiko von Langzeitschäden, etwa durch eine unerkannte Kompressionsneuropathie im Becken, reduzieren – beispielsweise durch eine frühzeitige differenzialdiagnostische Abklärung mittels Bildgebung. Physiotherapeut*innen haben somit nicht nur die Möglichkeit, Beschwerden gezielt zu lindern, sondern durch Aufklärung und rechtzeitige Hinweise die Diagnosestellung zu unterstützen. Wer sein Wissen zu Kompressionsneuropathien evidenzbasiert, praxisnah und in exquisiter Gesellschaft vertiefen möchte, kann sich gerne eines der übrigen Tickets schnappen. – Wir freuen uns auf euch! Betroffene finden hier Unterstützung: Literatur
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AutorSchreiben Sie etwas über sich. Es muss nichts ausgefallenes sein, nur ein kleiner Überblick. Archiv
Februar 2025
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