von David SchmidtMittlerweile ist Licht am Horizont zu erkennen, aber noch immer beschäftigt uns die CoVid-19 Pandemie. Sie nimmt weiter Einfluss auf unser Leben, wie wir arbeiten, unsere Freizeit verbringen, beeinträchtigt unsere Psyche und teilweise sogar den sozialen Status. Zu vielen unter uns ging oder geht es körperlich, psychisch und/oder finanziell schlechter als vor der Pandemie. Zudem scheint sich bei manchen der Erkrankten „CoVid“, selbst nach der akuten Erkrankung, weiter fortzusetzen. Wie sich das zeigt, ob und was wir für therapeutische Optionen haben, werden wir hier erfahren.
Beim Lesen nicht verwirren lassen: Das Virus bzw. die Pandemie ist unter dem Namen CoVid-19 weitläufig bekannt. Genauer gesagt handelt es sich aber um das Coronavirus SARS-CoVid-2. Wann immer es also um SARS-CoVid-2 gehen mag, geht es auch immer um „unsere“ Pandemie CoVid-19. Die „Coronafamilie“ Es wird Zeit, dass wir uns mit den Coronaviren näher beschäftigen. Es werden sieben für den Menschen relevante Coronaviren unterschieden. Sie verursachen akute Atemwegserkrankungen die meist problemlos ausheilen, jedoch gelegentlich, vor allem bei Komorbiditäten, zu schweren Verläufen führen können. Der Name der Viren leitet sich vom bekannten Erscheinungsbild der Virusoberfläche ab, die an eine Krone (lat. »corona«) erinnert. Die Fortsätze dieser Krone werden von den sogenannten Spikes („Glykoproteinen“), gebildet, die in die menschlichen Zellen eindringen und die Infektion auslösen können. Sie haben dabei einen Durchmesser von nur etwa 120 Nanometer, den millionsten Teil eines Millimeters! Relevant sind diese Spike-Proteine dann, wenn es um neue Virusmutationen geht. Dann sind es nämlich genau sie, welche sich verändern und die Medizin und Forschung vor teils neue Herausforderungen stellen. (Ziebuhr, Kapitel: Coronaviren aus Mikrobiologie und Infektiologie, 2020;) Coronaviren können meist bis zu mehrere Tage überleben und werden relativ leicht von Mensch zu Mensch durch Aerosole übertragen. SARS-CoV-2 vermehrt sich stark im Nasen-Rachenraum und sind sehr empfindlich gegenüber Desinfektionsmitteln. Es lässt sich leicht durch Erhitzen und die empfohlenen Hygienemassnahmen (Hände waschen/desinfizieren, Mundschutz und Abstand halten) in Schach halten und die Übertragungsrate so deutlich reduzieren. Die Viren besiedeln in erster Linie die Epithelzellen der Atemwege bzw. Lunge und die der Blutgefässe, da diese besonders stark mit dem Empfänger, dem Angiotensin-konvertierendes Enzym 2 (ACE-2) ausgekleidet sind. Allerdings fühlt sich as Virus auch in anderen Organen wie den Nieren und dem Darm sehr wohl. Infektionen mit Coronaviren treten vor allem in den Wintermonaten auf und sind für insgesamt etwa 5–30 % aller akuten Atemwegserkrankungen verantwortlich. (Ziebuhr, 2020;) Typischerweise können Coronaviren zu einer Rhinitis (Entzündung des Nasenraums), Konjunktivitis (Bindehautentzündung), Pharyngitis (Rachenentzündung) und gelegentlich auch zu einer Otitis media (Mittelohrentzündung) führen. Infektionen im Kleinkindalter zeigen sich häufig als Laryngotracheitis (Kehlkopfentzündung), unter Eltern weitläufig bekannt als „Pseudokrupp“. Die Inkubationszeit der genannten Erkrankungen beträgt in der Regel 2–4 Tage und die Krankheitssymptome klingen meist nach einer Woche wieder ab. Eine Mitbeteiligung der unteren Atemwege ist, wie wir gerade erleben müssen, häufiger, als noch vor wenigen Jahren angenommen. Stationäre Behandlungen von Patienten mit akuten Infektionen der unteren Atemwege (Pneumonie, Bronchiolitis, Bronchitis) sind bei Kindern in etwa 8 % (bei Erwachsenen 5 %) der Fälle auf Coronaviren zurückzuführen. Akute Attacken von Asthma bronchiale infolge einer Coronavirus-Infektionen sind häufig beschrieben worden. (Ziebuhr, 2020;) SARS-CoVid-2 ist bereits bis zu zwei Tage vor dem ersten Auftreten von Symptomen ansteckend. Die Inkubationszeit beträgt bei einer erstaunlichen Spannbreite von 3-14 Tagen ca. 5 Tage, . Infektionen mit SARS-CoV-2 können zu einem schweren, häufig auch lebensbedrohlichen Krankheitsbild führen, das als schweres akutes Atemwegssyndrom („severe acute respiratory syndrome“, SARS) oder auch ARDS („acute respiratory distress syndrome“) bezeichnet wird. Neben sehr vielen schwach bis sogar asymptomatischen Patienten, sind typische Symptome u.a. plötzlich einsetzendes hohes Fieber, Muskelschmerzen (Myalgien), trockener Husten, schweres Krankheitsgefühl und Schüttelfrost. Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann es zur Atemnot aufgrund mangelhafter Sauerstoffsättigung im Blut kommen, die dann eine intensivmedizinische Behandlung mit künstlicher Beatmung erfordert. Komplikationsreiche Verläufe von SARS-CoV-2-Infektionen sind häufig mit männlichem Geschlecht, hohem Alter, vorbestehenden kardiopulmonalen Erkrankungen und Diabetes Typ 2 assoziiert. Die Letalität liegt bei SARS-CoVid-2 bei ca. 0,5–1 % aller positiv getesteten Personen. Was für Beschwerden können anhalten? Die langfristigen Folgen einer CoVid-19 Infektion bleiben für den Moment noch spekulativ. Es gibt keine spezifischen Symptome oder Anzeichen, welche auf die allgemeine Schwere der CoVid-19-Krankheit hinweisen. Wenn anhaltende Probleme festgestellt werden, sollte der/die Patient*in an multidisziplinäre Rehabilitationsspezialisten überwiesen werden. Es gibt zwar starke Hinweise darauf, dass es zu multiplen Schäden an verschiedenen Organsystemen kommen kann, die dafür verantwortlichen Prozesse sind aber noch nicht vollumfänglich geklärt. Prof. Blasi von der Universität Mailand zufolge leiden 60% bis 70%, der aus dem Krankenhaus entlassenen Patient*innen, an Fatigue und 40% bis 70% an Kurzatmigkeit. Hinzu kämen Schmerzen, kognitive Beschwerden (Konzentrationsschwäche, Wortfindungsstörungen etc.), reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit, Stimmveränderungen, fortbestehenden Husten, Verlust von Geruchs- und Geschmacksinn und viele weitere Symptome, die die Lebensqualität beeinträchtigen. (Fraser, 2020; Wade, 2020;) Häufig sind zudem Depressionen, Angst- und posttraumatische Belastungsstörungen, besonders bei intensivmedizinisch behandelten Patienten. Diese genannten Symptome im Rahmen intensivmedizinischer Behandlungen sind bereits seit Langem unter dem Synonym PICS („post-Intensive-Care-Syndrome“) bekannt. Daher ist es unter Wissenschaftlern noch umstritten, ob das mittlerweile geläufige „post-CoVid“ bzw. „long-CoVid“ tatsächlich als eigenständige Problematik zu klassifizieren ist. Ein häufig vergessenes, aber immens wichtiges und häufig betroffenes Organ scheint das Herz zu sein. In einer Studie von Puntmann et al. (2020) der Uniklinik Frankfurt am Main, wurden 100 genesene CoVid-19 Patient*innen auf kardiale Folgen der Erkrankung untersucht und es fanden sich bei 78% der Proband*innen Veränderungen am Myokard, bei 60 Proband*innen waren sogar noch akute Myokardentzündungen nachweisbar. Interessant war bei dieser Studie, dass nur 1/3 der Proband*innen stationär behandelt wurden und 2/3 zuhause die CoVid-19 Infektion überstanden haben. Dieses Ergebnis, einer zugegeben kleinen Stichprobe, zeigt auf, dass auch von CoVid-19 Genesene kardiologisch abgeklärt werden sollten. Bitte denkt bei Euren post-CoVid-Patient*innen daran! Was passiert in der Lunge? Mehr als ein Drittel der Patient*innen entwickeln fibrotische Veränderungen an der Lunge, mit einer Betonung der Lungenunterlappen (Mo, 2020; Wang, 2020). Bei 47% der Fälle erfolgt eine Störung der Diffusionskapazität und bei 25% war die Gesamtlungenkapazität reduziert (Mo, 2020). Die Fibrosen sind wahrscheinlich die Folge der initialen alveolären Entzündungsvorgänge mit einer massiven Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine, Fibroblasten- und Myofibroblastenaktivierung, sowie folgender exzessiver Kollagendeposition im Lungengewebe. Die wirksamsten Therapieoptionen scheinen derzeit Kortison und antifibrotische Medikamente wie Pirfenidon und Nintedanib zu sein. Da diese Beschwerden auch vorübergehender Natur sein können, ist es zwar noch zu früh von Spätschäden an einzelnen Organen oder Organsystemen zu sprechen, aber wir müssen davon ausgehen, dass Patient*innen eine anhaltende Funktionsstörung diverser Organsysteme entwickeln und somit verschiedene physische und psychische Symptome aufweisen können. (Blasi S. COVID-19: Long term impact: the lung and beyond. ERS International Virtual Congress 2020, 7-9 Sept.; Wade, 2020;) Was empfiehlt die Wissenschaft? Internationale Gesellschaften, wie die British Thoracic Society (BTS), die American Thoracic Society (ATS) und die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) empfehlen post-stationären und/oder symptomatischen post-CoVid-19 Patient*innen gezielte Rehabilitations- und Nachsorgemassnahmen. Das eine pulmonale Rehabilitation bei CoVid-19-Patient*innen wirksam ist, belegen immer mehr Studien. Unteranderem konnte gezeigt werden, dass eine 6-wöchiges Rehabilitationsprogramm, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Interventionen, eine Verbesserung der Lungenfunktionsparameter, der Diffusionskapazität, der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität aufwies. Zudem waren das Angst- und Depressionslevel in der Interventionsgruppe niedriger. Eine retrospektive Analyse aus der Schweiz konnte diese Ergebnisse bestätigen. Im Laufe der Rehabilitation verbesserte sich die 6-Minuten-Gehstrecke um klinisch signifikante 130 Meter (Virtuelles Pneumo Update, 13.11.2020; Pneumonews 2020 (12,6)). Die DGP empfiehlt, vergleichbar mit den Leitlinien aus den USA und Grossbritannien, rehabilitative Therapien bereits auf der Normal- bzw. Intensivstation zu beginnen und diese als pneumologische Frührehabilitation im Akutkrankenhaus oder als Reha-Heilverfahren fortzusetzen. Barker-Davies et al. (2020) bestätigen diese Empfehlungen mit ihren Erkenntnissen aus Grossbritannien, dass bis zu 50% der Krankenhauspatient*innen mit CoVid-19 eine fortlaufende Behandlung benötigen, um die langfristigen Ergebnisse zu verbessern. Solange die Inhalte einer CoVid-19-spezifischen Rehabilitation nicht definiert sind, sollten sich die Maßnahmen an denen bei der primären Lungenfibrose (IPF) orientieren. (Virtuelles Pneumo Update, 13.11.2020; Pneumonews 2020 (12,6); Barker-Davies et al., 2020) Was haben unsere „klassischen“ Pulmopatienten während dieser Zeit zu beachten? Für die besonders gefährdete Patientengruppe der „COPD`isten“ gelten laut Prof. Vogelmeier (Universitätsklinik Marburg) weiterhin die folgenden Empfehlungen: „Wenn bei COPD-Patienten neue oder gesteigerte respiratorische Symptome, Fieber und/oder andere Symptome auftreten, die einen Bezug zu COVID-19 haben könnten, auch wenn diese nur von milder Ausprägung sind, sollten die Betroffenen getestet werden. Die Patienten sollten ihre orale und inhalative respiratorische Medikation wie verordnet unverändert einnehmen, da diese Substanzen nach bisheriger Datenlage sicher und effektiv sind – unabhängig davon, ob eine SARS-CoV-2-Infektion vorliegt oder nicht. Dies gilt auch für den Einsatz von oralen und/oder inhalativen Steroiden. In Regionen mit hoher SARS-CoV-2-Prävalenz sollte die Durchführung einer Spirometrie auf Patienten beschränkt bleiben, die dringend einer Diagnosestellung bedürfen und/oder der Status der Lungenfunktion zwingend erhoben werden muss. Die körperliche Distanz und das Tragen von Masken oder der Rückzug in das häusliche Umfeld sollten nicht zu einer sozialen Isolation und Inaktivität führen. Die COPD-Patienten sollten aktiv bleiben. Eine jährliche Influenzaimpfung sollte sichergestellt sein. Die Vernebelung von Medikamenten sollte wegen einer möglichen Aerosolbildung, wenn möglich, vermieden werden. Im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion wird auch bei COPD-Patienten eine Therapie mit systemischen Steroiden und/oder Remdesivir empfohlen. Bei respiratorischem Versagen sollte eine Hochflusssauerstofftherapie, eine nicht invasive Beatmung oder, wenn das nicht ausreicht, eine invasive mechanische Ventilation zum Einsatz kommen. CoVid-19-Patienten mit schweren Verläufen bzw. anhaltenden Einschränkungen sollten eine pneumologische Rehabilitation erhalten“. Was haben wir für physio- bzw. trainingstherapeutische Optionen? Barker-Davies et al. (2020) schreiben, dass die pulmonale Rehabilitation Atemnot reduzieren, die Funktionsfähigkeit im Alltag erhöhen und die Lebensqualität bei Personen mit Atemwegserkrankungen verbessern kann. Nach CoVid-19 wird sich die Anzahl der Rehabilitationsbedürftigen, durch diejenigen die auf der Intensivstation behandelt werden mussten, noch weiter steigern. Der größte Teil der Fachliteratur wird in älteren Populationen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung oder in jüngeren Gruppen mit Asthma berichtet. Es liegen jedoch Belege für die Anwendung von pulmonaler Rehabilitation bei Lungenentzündung, interstitieller Lungenerkrankung (ILD) und SARS vor. Bewegungstraining gilt dabei als Grundlage der pulmonalen Rehabilitation und ist in den allermeisten internationalen Programmen enthalten. Für die Trainingsplanung braucht es in der pulmonalen Rehabilitation leistungsdiagnostische Belastungstests zur Vorgabe individueller Schwellenwerte und exakter Trainingsbereiche, sowie physiotherapeutische Tests (6-Minutengehtest, 1-Minute-sit-to-stand/5-Rep-max und Handkrafttest;) als vergleichende Ein- und Austrittswerte. Eine Überwachung von Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung (Pulsoxymetrie) und Blutdruck während der Aktivität wird empfohlen. Die Aktivitäten können dabei durch eine subjektive Bewertung (Borg-Skala) der wahrgenommenen Anstrengung beschrieben werden. Ausdauer- und Krafttraining sind zentrale Bestandteile der pulmonalen Rehabilitation und sollten von Anfang an in der Physiotherapie im Einzelsetting und im späteren Gruppentraining aktiv gefördert werden. Dies kommt nicht nur der allgemeinen Fitness zugute, sondern beeinflusst auch eine Reihe anderer Probleme wie Müdigkeit und Fatigue, emotionale Dysbalancen, mangelndes Selbstvertrauen, die Durchführung ermüdender Alltagsaktivitäten und ermöglicht ökonomischere bzw. effizientere Atemmuster. Aufgrund der verhältnissmässig kurzen Erfahrungswerte mit der Erkrankung und den Folgen von CoVid-19, ist es sehr wichtig, dass Ärzt*innen und Therapeut*innen den post-CoVid-Patient*innen gegenüber ehrlich sind und sich selber eingestehen, ein gewisses Mass an Unsicherheit bzgl. der Prognose und den Erwartungen nach der CoVid-19 Erkrankung zu haben. Es ist im Reha-Verlauf besonders wichtig, die Betroffenen in einem multidisziplinären Setting zu betreuen und sich als Fachperson permanent auf dem aktuellen Stand der Forschung zu halten. (Wade, 2020) Referenzen
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AutorSchreiben Sie etwas über sich. Es muss nichts ausgefallenes sein, nur ein kleiner Überblick. Archiv
September 2023
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