David SchmidtViele unserer Patienten könnten Bücher zu gut gemeinten Empfehlungen schreiben, die sie bezüglich ihrer Erkrankungen oder Verletzungen erhalten haben. Aus dem Bekannten- und Freundeskreis, von Ärzten oder auch von uns Therapeuten.
Empfehlungen und „Informationen“ zum Beispiel zu erfolgversprechenden Therapieinterventionen, gezieltem Training, gesunder Ernährung, optimalem Schlaf- und Bewegungsverhalten, richtiger und falscher Haltung, - natürlich auch zum Stressmanagement und einigem mehr. In diesen Tagen gerne im Rahmen der hochgejubelten „Patient/Pain Education.“ Aber ist gut gemeint auch gut für die Patienten? Sind wir qualifiziert und befugt diese abzugeben und was, wenn sich diese nachteilig auswirken? Worauf ist bei Tipps und Ratschlägen zu achten? Empfehlungen zu bestimmten Therapien, ob medizinischer oder therapeutischer Natur, sind manchmal ein heisses Eisen. Einerseits orientieren sich glücklicherweise immer mehr Kolleginnen und Kollegen an der Evidenz, was allerdings keine Garantie für einen fallspezifischen Therapieerfolg ist und auch nicht sein kann. Andererseits sind wir, bewusst oder unbewusst, Geiseln unserer eigenen Erfahrungen bzw. unseres BIAS und erzählen teilweise hanebüchenen Unsinn. Natürlich ist unsere persönliche Berufserfahrung, auf die sich die allermeisten von uns sehr gerne und ausführlich beziehen, wichtig. Aber in der Evidenzpyramide ist sie doch der wackeligste Stein. Stellt euch vor ihr seid der Patient und die Therapie ist sinnbildlich ein sich im Bau befindendes Haus. Baut ihr das Fundament eures „Therapiehauses“ lieber auf einem Stein (Einzelmeinung/Fallstudie) oder auf mehreren tausend Steinen (Metastudien)? Eben. Seien wir uns dessen stets bewusst und ehrlich zu uns selbst. Vor allem aber zu unseren Patienten, wenn diese nach „unserer Meinung oder Erfahrung“ fragen! Sie nehmen Zeit und Unkosten auf sich, um zu uns zu kommen, sie vertrauen uns ihre Gesundheit an und verdienen es angemessen behandelt und beraten zu werden. Das gilt selbstverständlich für jede Frage, jede Bitte um Empfehlungen betreffend jedem physiotherapeutisch abdeckbaren Themengebiet. Wir sind aufgrund unserer ganz persönlichen Fachexpertise und unserer Möglichkeiten externe Expertise zu suchen, zu finden und zu nutzen befugt und qualifiziert Empfehlungen abzugeben. Wir sollten dies auch nach Möglichkeit machen und versuchen, die Fragen unserer Klienten seriös und vollumfänglich zu beantworten. Dabei kann es helfen, dass wir uns folgendes zu Herzen nehmen: (angelehnt an Prof. Thorsten Weidig, Sportpsychologe und Daniel Riese, Physiotherapeut MSc und PhD cand.) · Wir müssen in der Lage sein, seriöse und nachprüfbare Quellen für unsere Empfehlungen zu nennen. Nichts ist weniger wert als alles auf die eigene Meinung zu beziehen und damit zu begründen. · Tipps und Empfehlungen sollen auf Augenhöhe kommuniziert werden. Die Wahrscheinlichkeit das unser Gegenüber das Gesagte annimmt steigt deutlich. Kommunizieren wir mit unseren Klienten doch einfach so, wie wir es selber auch erwarten und uns wünschen würden. · Kommunizieren wir offen, ehrlich, wertfrei und vor allem positiv. Wir sollten unser Gegenüber motivieren und in seinen Handlungen stärken, ihn nicht niedermachen, ängstigen und definitiv keine Nocebos einpflanzen. Angst ist kein guter Ratgeber, denn sie ist zumeist unnötig, kann Symptome auslösen oder verstärken und Rehaprozesse verlangsamen bzw. sogar behindern. Bitte beachtet das auch für Beiträge auf den bekannten Kommunikationskanälen (Webseiten, Facebook, Instagram, LinkedIn etc.). · Wir müssen aufpassen, was wir alles so im Internet und auf Social Media finden und schnell mal teilen. Wenn wir uns nicht die Zeit nehmen die Artikel zu lesen und zu bewerten, laufen wir Gefahr Blödsinn und Unausgegorenes zu teilen und weiter zu verbreiten. Das kann nicht in unserem Sinne und dem unserer Profession sein. Es soll natürlich keinen abhalten diesen Blogbeitrag zu teilen ;-) · Lasst uns nur Empfehlungen zu Themen abgeben, bei denen wir tatsächlich auf Draht sind. Wissenslücken sind keine Schande. Informieren wir uns vorher selber in den bekannten Journals und Datenbanken oder lasst uns die nötigen Infos bei Experten besorgen. · Nutzen wir die Bitten und Fragen nach Empfehlungen in Herrgottsnamen nicht dazu, nachgewiesenermassen sinnlose und unnütze Gimmicks zu verkaufen. Natürlich haben wir es verdient anständig bezahlt zu werden und die eigene Wirtschaftlichkeit ist ein hohes Gut, aber bitte nicht zum Nachteil der Patienten. Verkaufen wir das was Sinn und uns ausmacht - unser Wissen - zu einem ordentlichen Preis, aber lasst uns dabei bitte seriös bleiben. Vor allem wenn wir behaupten, evidenzbasiert zu arbeiten… · „Schuster bleib bei deinen Leisten“. Wenn wir auf Augenhöhe mit den anderen „Playern“ im Gesundheitswesen agieren und von Ihnen als Spezialisten wahrgenommen werden wollen, sollten wir es selber vorleben. Wir sollten deren Expertise anerkennen und respektieren. Wir sind keine Virologen, Chirurgen, keine Pharmazeuten und auch keine Psychologen. Daher sollten wir es auch tunlichst vermeiden, uns so zu verhalten oder meinen so agieren zu dürfen. Ein Vielflieger kann dem Piloten auch nicht erzählen, wie er das Flugzeug zu fliegen hat. Stellt euer Ego hinten an. Am Ende haben jene Therapeuten den grössten Erfolg und werden als kompetent wahrgenommen, die empathisch und sympathisch auftreten. Denen hören die Patienten gerne zu und sie setzen die erhaltenen Empfehlungen wahrscheinlich auch eher um. Wer zu forsch, unfreundlich, besserwisserisch auftritt oder Empfehlungen abgibt nach denen gar nicht gefragt wurde oder schlichtweg keinen interessieren, der wird schlussendlich in der Therapie kaum eine Chance haben. Unsere Therapie sollte sich durch Empathie, seriöse und belegbare Informationen und Empfehlungen und angepasstes Training auszeichnen und wird langfristig so auch uns zufriedenstellen. Geht positiv und unvoreingenommen an eure Patienten ran. Egal was auf der Diagnose steht oder welche Vorurteile durch so manche Patienten wie auch immer ausgelöst werden sollten. Nehmt sie wie sie sind, akzeptiert ihre Schwächen, freut euch an ihren guten Seiten und behandelt sie seriös, sympathisch und mit Respekt. Dann kommen dabei hoffentlich auch die passenden Ergebnisse raus und unsere Arbeit macht direkt mehr Spass. Stimmt ihr uns zu oder was sind eure Vorstellungen zu diesem Thema? Wir sind gespannt auf eure Meinungen!
0 Comments
|
AutorSchreiben Sie etwas über sich. Es muss nichts ausgefallenes sein, nur ein kleiner Überblick. Archiv
September 2023
Kategorien |
science2practice GmbH EVIDENZBASIERTE FORTBILDUNGEN Asylstrasse 32 CH-8708 Männedorf Email: [email protected] Telefon: +41 (0) 78 642 05 97 |
|