David Schmidt 14th Clinical Science Forum „Technologies and robotics for therapy“ Ausrichter: Stiftung Physiotherapie Wissenschaften PTW Gastgeber: Universitätsklinik Der Balgrist Prof. Mazda Farshad, Medizinischer Direktor der Universitätsklinik Balgrist, kam in seinen Begrüssungsworten mit Nachdruck auf die Wichtigkeit intensiver Forschung im Bereich muskuloskelettaler (MSK) Beschwerden zu sprechen. Gleichzeitig prangerte er die unverhältnismässig geringen Forschungsinvestitionen in diesem Bereich an. Dieser Widerspruch zeigt sich gut in folgendem Zitat des Klinikdirektors: „If we would not do research, the state-of-the-art would remain the same“. Farshad hebt hervor, dass MSK-Beschwerden einerseits – je nach Statistik – die höchsten bzw. zweithöchsten Gesamtkosten im Gesundheitssektor verursachen (2013 in der Schweiz: ca. 20 Milliarden Franken, Anteil der Physiotherapie bei ca. 700 Millionen Franken), anderseits werden gerade einmal 2% der Forschungsgelder für den Bereich der muskuloskelettalen Beschwerden eingesetzt. Dr. Oliver Stoller, PhD, PT, Manager Digital Health, VAMED: „Clinical integration of rehabilitation technologies – from stand-alone-solutions to ecosystems“, zeigte in seinem Vortrag eindrücklich auf, wie bereits jetzt, von vielen im therapeutischen Bereich völlig unbemerkt, Daten gesammelt, verarbeitet und genutzt werden. Nicht überraschend ist, dass die Krankenkassen derzeit die eifrigsten Sammler sind. Noch vor den Techfirmen (besonders der Medizintechnik) und weit vor den Rehakliniken. An letzter Stelle stehen die Rehazentren und Therapiepraxen. Fazit ist: Wir als medizin-therapeutische Experten schöpfen unser Potential an Wissensgenerierung nicht im geringsten aus. Wir müssen uns darauf einstellen, dass Krankenkassen die gewonnenen Daten dazu nutzen werden, für Therapien nur noch entsprechend deren tatsächlichem Nutzen zu zahlen. Sind wir darauf vorbereitet oder befinden wir uns noch im „soweit-wird-es-schon-nicht-kommen“-Modus? Die Millionen-Dollar-Frage heisst: Wie können wir uns auf die technologischen Veränderungen einstellen und davon profitieren? Und wissen wir überhaupt, was unsere Patienten wollen? Technologisierung in der Therapie (Stoller) Für unsere Klienten hat die Medaille zwei Seiten, – die sich allerdings langfristig zu deren Vorteil entwickeln sollten. Einerseits zeigt sich laut Oliver Stoller, dass „Patienten mehr Hoffnung als Angst in Bezug auf Künstliche Intelligenz („AI“) in der Rehabilitation haben“ und sie aber andererseits „überhaupt keine Ahnung haben was derzeit läuft, sich dies allerdings bald ändern wird.“ Im Laufe der industriellen Revolution hat sich bereits viel getan. Es begann um 1780 mit den Entwicklungen der Dampfmaschinen, um 1880 ging mit der flächendeckenden Elektrizität und Massenproduktion weiter. Seit 1980 befanden wir uns in der industriellen Revolution 3.0: dem Computerzeitalter. Mit den Cyber physical systems sind wir bereits jetzt in der Revolution 4.0, mit enormen Auswirkungen auf Medizin und Therapie. Was bieten sich uns für Möglichkeiten und wo geht die Reise hin?Stoller meint dazu: „Oft haben wir keine Ahnung über die Dosierung in unserer Therapie und was die Patienten zu Hause machen“. Ein Patient kommt im Schnitt 1-2 pro Woche für je 30 Minuten zur Therapie und die restliche Zeit ist er oder sie auf sich gestellt. Im Grunde entscheidet sich der langfristige Therapieerfolg also selten in der Praxis. Entscheidend ist, was passiert wenn wir Therapeuten nicht dabei sind. Wäre es nicht fantastisch, Sensoren zu nutzen, die uns genau zeigen was Patienten zu Hause machen und wenn wir die Daten therapeutisch nutzen könnten? Kommunikation und Wissensaustausch zwischen allen Playern zum Wohle des Patienten Natürlich ist das Thema Datenschutz und -nutzung ein heisses Eisen. Die Generierung, Sammlung und Nutzung sollte unter strengen Auflagen erfolgen. Aber sind wir in anderen Bereichen genau so heikel? Alexa hört uns permanent zu, Siri sagt uns wie das Wetter wird und unsere iWatch zeichnet unseren Herzrhythmus auf und schickt diesen als PDF an unseren Hausarzt. Wir werden bereits massiv überwacht, ausgewertet und lassen unser Verhalten analysieren. Sollten wir diese Möglichkeiten nicht auch für unsere Gesundheit nutzen können? Von 2010 bis 2017 hat sich die Zahl an klinischen Untersuchungen unter Zuhilfenahme mobiler Endgeräte, Sensoren und Wearables fast verfünffacht. Die amerikanische FDA hat die Nutzung einer beeindruckenden Zahl an Algorithmen in der Medizin gestattet. AI betritt den medizinischen Sektor in einem fast unheimlichen Tempo! Besonders die Bereiche Radiologie und Kardiologie wandeln sich enorm schnell. Bereits jetzt ist erkennbar, dass der Radiologe in seiner jetzigen Form in absehbarer Zeit ausgedient hat und durch AI ersetzt wird. Der Einsatz von digital health technologies steigt weiter an Game over für den AlleskönnerTherapeuten sollten sich darauf einstellen, dass neue Technologien einen festen Platz im Therapieprozess einnehmen werden. Wie können Sie also reagieren? – Mit Spezialisierung. Es wird aller Voraussicht nach immer mehr Therapeuten geben, die sich in verschiedenen Bereichen spezialisieren (MSK, Geriatrie, Neurologie, Pädiatrie, Robotik, Forschung etc.). Der Therapeut-für-Alles wird ausgedient haben. Wie sich auch in anderen Vorträgen beim Clinical Science Forum gezeigt hat, wird das Curriculum im Studium angepasst werden müssen und der Bereich AI/Medical Engineering soll ein wichtiger Teil davon werden. Bereits jetzt kann beispielsweise in Wien ein Master-Studium im Bereich Medical Engineering & eHealth belegt werden. Und das ist scheinbar erst der Beginn. Diejenigen die flexibel sind und sich nicht vor Veränderungen scheuen werden profitieren, diejenigen denen das nicht gelingt, werden zwangsläufig auf der Strecke bleiben. Hoffentlich. Vielen Dank für Euer Interesse. David
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AutorSchreiben Sie etwas über sich. Es muss nichts ausgefallenes sein, nur ein kleiner Überblick. Archiv
September 2023
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