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Fatigue - mehr als nur müde

4/7/2021

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von David Schmidt
An Krebs erkrankte bzw. den Krebs besiegende Patient*innen sind mittlerweile fester Bestandteil im gesellschaftlichen und physiotherapeutischen Alltag. Einerseits werden wir immer älter und damit steigt auch unser Risiko zu erkranken, andererseits hat vor allem die Medizin in den letzten Jahrzehnten dermassen grosse Fortschritte gemacht, dass immer mehr Mitmenschen den Krebs über- bzw. zumindest länger damit leben können. Laut den Daten des Robert-Koch-Institutes erkrankten 2017 ca. 489´000 Menschen in Deutschland an Krebs. Davon wurde bei ca. 259'000 Männern und bei 230'000 Frauen die Diagnose Krebs gestellt. Etwa die Hälfte der Fälle betrafen die Brustdrüse (67'900), Prostata (62'200), Dickdarm (58'900) und die Lunge (57'500).

Laut Statistik des RKI leben nach 5 Jahren noch 65% der Frauen und 59% der Männer. Nach 10 Jahren weilen noch 61% der Frauen und 54% der Männer unter uns. Die Prävalenz nimmt seit Jahren zu und damit kommen auch wir Physiotherapeut*innen immer mehr ins Spiel. Warum das so ist?

Onkologische Patienten können vielfältige Beschwerden haben. Neben den verschiedensten „ganz normalen“ muskuloskelettalen Gebrechen, können sie beispielsweise über operationsbedingte Kontinenz-Problematiken klagen, an medikamenteninduzierten Polyneuropathien leiden, oder mit Bewegungseinschränkungen der Schulter nach Mamma-Ca kämpfen - und vielem mehr.

Was der Grossteil unserer Patient*innen gemein hat: 60-90% aller Krebserkrankten sind von Fatigue, dem sogenannten Erschöpfungssyndrom, betroffen. Bei 30-60% dieser Patient*innen wird diese Erschöpfung als mittlere bis schwere Form eingestuft. (Bower 2014; Pachman et al. 2012)

Als Fatigue wird der teils extreme Erschöpfungszustand bezeichnet, den Patient*innen oftmals als Nebeneffekt der Krebstherapie erleben. Dabei handelt es sich um viel mehr als nur starke Müdigkeit. Dieser Zustand schränkt durch die starke Erschöpfung die Belastbarkeit und die Ausübung von Alltagsaktivitäten der betroffenen Personen massiv ein. (McNeely et al. 2010).
 
Was passiert bei der Fatigue physiologisch?
Die Ursache für die krebsbehandlungsassoziierte Fatigue ist auf molekularer Ebene noch immer nicht ganz geklärt. (Bower 2014; Wood et al. 2009). Was man weiss ist, dass bei dieser Form der Fatigue die Produktion der proinflammatorischen Zytokine Interleukin-1 Beta (IL-1β) sowie des Tumornekrosefaktor Alpha (TNF-α) initiiert wird und dieser Prozess sehr erfolgreich mit körperlichem Training bekämpft werden kann.

Der vermutete Mechanismus hinter dem Erfolg von körperlichem Training zur Bekämpfung von Fatigue, dürfte die Absonderung des Interleukin-6 (IL-6) aus dem pathogenen Umfeld der Makrophagen sein. Dem IL-6 wird in diesem Setting eine zentrale Rolle in der Immunantwort auf eine Sepsis zugeschrieben. Bei körperlichem Training hingegen, wird es selektiv aus der Muskelzelle ausgeschüttet (Pedersen und Febbraio, 2008). Im Trainingsumfeld entfaltet IL-6 über die Herunterregulierung und Deaktivierung von IL-1β sowie TNF-α eine antiinflammatorische Wirkung (Wood et al. 2009). Das würde erklären, warum Trainingsinterventionsstudien durchwegs eine Verbesserung der Fatigue bei Krebspatienten aufzeigen (Meneses-Echávez et al., 2015).

Was sind typische Fatigue-Symptome?
Moss-Morris (2010) benennt die folgenden Beschwerden bei krebsinduzierter Fatigue als symptomatisch:
  • Ausgeprägte Müdigkeit und Energieverlust in Ruhe
  • Gefühl muskulärer Schwäche
  • Eingeschränkte Aufmerksamkeit und Konzentration; verminderte Fähigkeit zu Konzentration und Aufmerksamkeit, Kurzzeitgedächtnisstörungen
  • Eingeschränkte Tätigkeiten des täglichen Lebens mit Erschöpfungsgefühl bzw. starke Anstrengung notwendig, um in Gang zu kommen
  • Schlafstörungen oder vermehrter Schlaf
  • Nicht erholsamer Schlaf
  • Traurigkeit, geringe Frustrationstoleranz
  • Durch Müdigkeit bedingte Schwierigkeiten, alltägliche Aufgaben zu erledigen
  • Eventuelles Unwohlsein nach Anstrengung
 
Welche Assessments bieten sich an?
Es stehen Gesundheitsfachpersonen verschiedene Fragebögen zur Ermittlung des Ist-Zustandes bei Fatigue zur Verfügung. Mit dem speziell auf onkologische Patient*innen zugeschnittenen FACT-F (Functional Assessment of Cancer Therapy-Fatigue) können Details zum Erschöpfungssyndrom erfragt werden. Für anderweitig chronisch Kranke kann der FACIT-F (Functional Assessment of Chronic Illness Therapy-Fatigue) genutzt werden. (Yellen et al, 1997; Lai et al, 2003). Hier der Link zum FACT-F.
Der komplette FACIT-F-Fragebogen besteht aus 41 Fragen aus fünf Bereichen. Es werden die Kategorien „Körperliches“, „Soziales“, „Emotionales“ und „Funktionelles“ Wohlbefinden erfragt. Das Erschöpfungssyndrom wird mittels einer Subskala erhoben. Der FACIT-F/ FACT-F ist zum selbstständigen Ausfüllen durch Patient*innen entwickelt worden, kann aber auch von einem Therapeuten oder einer Therapeutin abgefragt werden (Link zum FACIT-F).

Ebenfalls für die Erfassung des Erschöpfungssyndroms gibt es das Modul QLQ-FA12 des EORTC QLQ-C30 (Seyidova-Khoshknabi et al., 2010). Hier der Link zum validen, aber eher aufwändigen Fragebogen 

Spezifisch für das Assessment von Fatigue bei Krebspatient*innen ist der Brief Fatigue Inventory (BFI) vom MD Anderson Cancer Center, Texas, USA, entwickelt worden (Seyidova-Khoshknabi et al., 2010; Mendoza et al., 1999). Er umfasst die Beurteilung einerseits der aktuellen und andererseits der schlimmsten Erschöpfung in den letzten 24 Stunden (Mendoza et al., 1999). Hier der Link zum Brief Fatigue Inventory. 

Bitte beachtet, dass die Fragebögen zum Teil kostenpflichtig sind bzw. nur nach Genehmigung benutzt werden dürfen. Informiert Euch sicherheitshalber vorher bei den verlinkten Anbietern.

Was sind unsere Therapieoptionen?
Die folgenden Grundsätze zum allgemeinen Training, Kraft- und Ausdauertraining werden von der Onkologischen Trainings- und Bewegungstherapie (OTT) der Uniklinik Köln empfohlen:
  • Insgesamt 90 – 120 min/ Woche moderates Training
  • Überlastungen vermeiden, sie verstärken die Fatigue-Problematik
  • Je schwerer die Fatigue, desto geringer die Intensitäten
  • Fragebogen (MFI) zur Bestimmung des Schweregrades mit entsprechender Ausrichtung des Trainingsplans
 
Empfehlung und Therapieschwerpunkte beim Krafttraining:
  • 12 Wochen mit 3 TE pro Woche
  • Leichte Fatigue: 2x8-12 WH, 60-70% 1RM
  • Moderate Fatigue: 1x8-12WH, 30-50% 1RM
  • Starke Fatigue: anfänglich Krafttraining ohne Widerstand, danach langsame Steigerung
 
Empfehlung und Therapieschwerpunkte beim Ausdauertraining:
  • Leichte Fatigue: 20-30 min pro TE, 3-5 Tage/Woche, 60-80% max HF
  • Moderate Fatigue: progressive Steigerung des Trainingsumfangs von 5-10 Min pro TE
  • Starke Fatigue: TE mit geringen Intensitäten, Walking/Radfahren von mehreren Einheiten à 5-10 Minuten
 
Im Idealfall arbeitet man bei der Planung des Trainingsplans mit einem Leistungsdiagnostiker bzw. einer sportmedizinischen Abteilung zusammen, ansonsten wird man sich der bekannten „Pi-mal-Daumen“-Techniken bedienen müssen, um die erforderliche Herzfrequenz zu bestimmen. Nicht optimal, aber immer noch besser als nichts.
 
Viel Spass und Erfolg bei der Umsetzung der Vorschläge und lasst uns wissen, ob Euch diese Zusammenfassung geholfen hat. Wir freuen uns immer, von Euch zu hören!
 


​
Quellen
Bower, J. E. (2014). Cancer-related fatigue—mechanisms, risk factors, and treatments. Nature Reviews Clinical Oncology, 11(10), 597–609. https://doi.org/10.1038/nrclinonc.2014.127
 
Krebs - Krebs gesamt. (o. D.). www.krebsdaten.de. Abgerufen am 27. Juni 2021, von
https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Krebs_gesamt/krebs_gesamt_node.html
 
Lai JS, Cella D, Chang CH, Bode RK, Heinemann AW (2003) Item banking to improve, shorten and computerize self-reported fatigue: an illustration of steps to create a core item bank from the FACIT- Fatigue Scale. Qual Life Res 12(5):485–501
McNeely, M. L. & Courneya, K. S. (2010). Exercise Programs for Cancer-Related Fatigue: Evidence and Clinical Guidelines. Journal of the National Comprehensive Cancer Network, 8(8), 945–953.
https://doi.org/10.6004/jnccn.2010.0069
 
Mendoza, T. R., Wang, X. S., Cleeland, C. S., Morrissey, M., Johnson, B. A., Wendt, J. K. & Huber, S. L. (1999). The rapid assessment of fatigue severity in cancer patients. Cancer, 85(5), 1186–1196.
https://doi.org/10.1002/(sici)1097-0142(19990301)85:5
 
Meneses-Echávez, J., González-Jiménez, Ramírez-Vélez, R. & Correa-Bautista, J. (2015). Effects of health professional supervised multimodal exercise interventions on cancer-related fatigue: systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Physiotherapy, 101, e997.
https://doi.org/10.1016/j.physio.2015.03.1859
 
Moss-Morris, R. & Hamilton, W. (2010). Pragmatic rehabilitation for chronic fatigue syndrome. BMJ, 340(apr22 3), c1799. https://doi.org/10.1136/bmj.c1799
 
Pachman, D. R., Barton, D. L., Swetz, K. M. & Loprinzi, C. L. (2012). Troublesome Symptoms in Cancer Survivors: Fatigue, Insomnia, Neuropathy, and Pain. Journal of Clinical Oncology, 30(30), 3687–3696.
​ https://doi.org/10.1200/jco.2012.41.7238
 
Pedersen, B. K. & Febbraio, M. A. (2008). Muscle as an Endocrine Organ: Focus on Muscle-Derived Interleukin-6. Physiological Reviews, 88(4), 1379–1406. https://doi.org/10.1152/physrev.90100.2007
 
Seyidova-Khoshknabi, D., Davis, M. P. & Walsh, D. (2010). Review Article: A Systematic Review of Cancer-Related Fatigue Measurement Questionnaires. American Journal of Hospice and Palliative Medicine®, 28(2), 119–129. https://doi.org/10.1177/1049909110381590
 
Wood, L. J., Nail, L. M. & Winters, K. A. (2009). Does Muscle-Derived Interleukin-6 Mediate Some of the Beneficial Effects of Exercise on Cancer Treatment-Related Fatigue? Oncology Nursing Forum, 36(5), 519–524. https://doi.org/10.1188/09.onf.519-524
 
Yellen, S. B., Cella, D. F., Webster, K., Blendowski, C. & Kaplan, E. (1997). Measuring fatigue and other anemia-related symptoms with the Functional Assessment of Cancer Therapy (FACT) measurement system. Journal of Pain and Symptom Management, 13(2), 63–74. https://doi.org/10.1016/s0885-3924(96)00274-6
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