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Verunfallt, verletzt, verzweifelt

11/12/2018

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Pascale Gränicher

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Eine unerwartete Verletzung kann einen ganz schön aus der Bahn werfen. Schock, Wut, Angst, Traurigkeit, Frustration, Hilflosigkeit. Gefühlsregungen, die ein Unfall oder eine Erkrankung auslösen kann. Die alltägliche Routine wird gestört, man ist plötzlich auf andere Personen angewiesen, braucht Unterstützung bei alltäglichen Verrichtungen. Dass das aufs Gemüt schlägt ist nachvollziehbar.

Profis auf der Bank
Für Sportler kann eine physische Beeinträchtigung, selbst wenn sie zeitlich befristet ist, neben den oben genannten emotionalen Reaktionen auch Existenz- oder Versagensängste auslösen. Einige Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Athleten diese Reaktionen während der Reha im Vergleich zu sportlich inaktiven Menschen stärker erleben und häufiger an Stimmungsschwankungen oder Bestürzung leiden. Die Mannschaft wird im Stich gelassen, der Sponsor verlängert den Vertrag nicht, der Trainer ist enttäuscht und die Fans fordern Ersatz.
Das Kapital eines Athleten oder einer Athletin ist eigene Körper. Ist dieser nicht voll einsatzfähig, sinkt das Selbstwertgefühl. Das wiederum beeinträchtigt u.a. über die Ausschüttung von Stresshormonen den Fortschritt der Wundheilung und das emotionale Krankheitserleben. Die psychosoziale Reaktion auf eine Verletzung beeinflusst somit auch wie das Gewebe heilt und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, wieder an alte Leistungen anknüpfen zu können.

Mental Readiness
In den letzten Jahren hat sich weiter herauskristallisiert, dass die psychologische Verfassung z.B. nach VKB-Rekonstruktion ein potentiell modifizierbarer Faktor für ein erfolgreiches sportliches Comeback darstellt. Die sogenannte „Mental Readiness“ oder mentale Bereitschaft, wird entscheidend durch Emotionen, Zuversicht in die verletzte Struktur und Vertrauen ins Wiedererlangen der eigenen Leistungsfähigkeit geprägt.
Im Verlauf der Rehabilitation wandeln sich anfänglich negative Emotionen zu einer zuversichtlicheren Haltung. Der Zeitpunkt dieser Wendung scheint an den subjektiv erlebten Fortschritt geknüpft zu sein. Das heisst, hat der Athlet das Gefühl es geht vorwärts, ist er auch motivierter. Dabei lohnt es sich, neben dem objektiven Verlauf auch zu erfassen, wie ready sich der Patient fühlt. Die psychologische Bereitschaft für einen Wiedereinstieg in den Sport ist genauso wichtig wie die physischen Parameter.
Heutzutage werden professionelle Sportler meist gut aufgefangen und erhalten rasch kompetente Betreuung auf physischer und mentaler Ebene. Neben Familie, Freunden oder Teamkollegen ist oft auch ein Psychologe zur Stelle. Ärzte, Trainer und Physiotherapeuten klären auf, kümmern sich um den Bewegungsapparat und ermöglichen im besten Fall einen individualisierte komplikationsfreie Rückkehr in den Profisport.

„Es geht schon.“
Aber wer zieht den Otto Normalverbraucher nach einer Humerusfraktur oder Achillessehnenruptur aus dem Motivationstief? Wird er über die (temporären) Einschränkungen im Alltag nach einer allfälligen OP aufgeklärt und auf einen zähen Verlauf vorbereitet? Weiss er, dass es normal sein kann, nach einem operativen Eingriff mit Schmerzen und schlaflosen Nächten zu kämpfen? Es hiess doch, alles sei dann wieder gut. Das Knie lässt sich aber kaum beugen und ist auch nach einer Woche noch geschwollen. Ist das normal? Er bezweifelt, dass ein hink freies Gehen, geschweige denn Rennen, je wieder möglich sein wird.

Dass er seine Ängste in persönlichen Gesprächen mit Mental-Trainern oder Psychologen mitteilen kann, ist eher unwahrscheinlich.
Auch “normale” Menschen oder Hobbysportler können nach einer Verletzung in ein Tief fallen und erleben Einbussen ihres Selbstwertgefühls. Dieser Umstand wird aber weniger beachtet. Denn sie sind in den meisten Fällen ja nicht ausschliesslich auf ihre physische Leistungsfähigkeit angewiesen.
Aber auch? Der Schreiner, der wegen einer Ellbogenfraktur acht Wochen ausfällt kämpft wahrscheinlich genauso mit seinem Selbstwertgefühl wie der Handballspieler aus dem National-Team. Oder der Kunstschlosser mit OSG-Distorsion der seinen Auftrag nicht rechtzeitig fertig schafft, wird ebenso mit schlaflosen Nächten und Verlustängsten zu kämpfen haben wie die Ballerina drei Monate vor der grossen Premiere.

Wie steht es mit der mentalen Bereitschaft für den Wiedereinstieg in den Job? Mit den inneren Barrieren umzugehen und sie Stück für Stück abzubauen ist ebenfalls Teil einer umfassenden Rehabilitation – auch bei Otto Normalverbrauchern.

Warnzeichen
Wann macht es Sinn einen Psychologen beizuziehen? Einige Indikatoren die anzeigen, dass ein Patient oder Athlet nicht klarkommt mit seiner Situation:
  • Unverhältnismässige Angst vor Wiederverletzung
  • Der Schweregrad der Verletzung wird konsequent verharmlost oder gar abgestritten.
  • Allgemeine Ungeduld und Irritierbarkeit
  • Rasche Gemütsschwankungen
  • Extreme Schuldgefühle gegenüber dem Team
  • Suhlen in kleinen körperlichen Leiden
  • Besessenheit von der Frage, wann es zurück in den Sport geht.
Treffen einer oder mehrere Punkte zu, kann es Sinn machen, den Fokus der Therapie auf die kognitiv-emotionale Ebene zu schwenken oder externe Unterstützung beizuziehen.
Die Motivation für eine anstrengende, nervenaufreibende Rehabilitation zu halten ist kein Kinderspiel. Umso mehr sind Betroffene auf die Unterstützung aus ihrem sozialen Umfeld, aber auch aus medizintherapeutischen Reihen angewiesen.
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Was Ihr als Fachpersonen beitragen könnt
  1. Listen up: Im Schnitt lassen Ärzte ihre Patienten ganze 15 Sekunden am Stück reden. Versucht in der Anamnese auch ein Bild der emotionalen Situation zu zeichnen.
  2. Dig deep: Fehlinformationen oder Irrglauben (auch durch Coaches, Kollegen oder Eltern verbreitet) zu Verletzung oder Outcome sollten frühzeitig aufgedeckt und richtiggestellt werden. Somit werden unnötige Ängste vermieden.
  3. Information is key: Ob Profisportler oder Otto Normalverbraucher – Aufklärung zur Verletzung ist essentiell. Betroffene sollen sich darauf einstellen können, was auf sie zukommt und verstehen, welche Prozesse im Körper ablaufen. Um sicher zu gehen, dass Eure Erklärung verstanden wurde, lasst den Patienten deren Interpretation des Gesagten wiedergeben.
  4. Evaluation: Überprüft nicht nur die körperliche sondern auch die mentale Bereitschaft eurer Patienten und Athleten. Der Reha-Fortschritt ist nur so gut, wie die Betroffenen ihn empfinden.
  5. Teamwork: Bezieht das Umfeld der Patienten (mit deren Erlaubnis) in den Reha-Prozess mit ein. So ziehen alle am gleichen Strick.
  6. Coping: Ermutigt den Athleten nicht nur physische sondern auch kognitive Strategien bei der Stressbewältigung einzusetzen (z.B. Motor Imagery, Atmungstechniken, Nah- und Fernziele setzen).
Und dann noch einige Ratschläge, die bedrückten Verletzten während der Reha helfen können:
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Tipps für Patienten und Sportler nach einer Verletzung
  1. Traurig sein: Gefühle sind wichtig für den Heilungsprozess. Natürlich folgen auf eine Verletzung negative Emotionen.
  2. Akzeptieren: Je rascher du das Geschehene annehmen kannst, desto schneller kannst du dich mit dem Besserwerden beschäftigen.
  3. Realistische Ziele: Versuche nicht mehr zu schaffen, als du in der Lage bist. Deine Verletzung muss heilen und du Kraft zurückgewinnen. Nimm einen Schritt nach dem anderen.
  4. Positive Haltung: Leichter gesagt als getan. Doch Negativität verlangsamt den Heilungsprozess und bringt dich nicht vorwärts.
  5. Sei aktiv: Benutze Visualisierungstechniken um dich während der Reha weniger hilflos zu fühlen. Versäume keine Behandlungstermine und höre auf deine Therapeuten.
  6. Training: Übe mental oder was möglich, auch praktisch.
  7. Unterstützung: Kapsel dich nicht ab. Geh zu den Trainings oder Wettkämpfen, egal wie weh es tut, dass du nicht mitmachen kannst. Dich zu isolieren schadet mental wie physisch.
  8. Berater: Wenn du dich über eine längere Zeitspanne „down“ fühlst, zögere nicht, dir bei einem Therapeuten Hilfe zu holen.
  9. Geduld: Gib deinem Körper genug Zeit um richtig heilen zu können. Sei nicht übermütig, sobald es etwas besser geht, auf die Dauer wird es den Prozess verlangsamen. „Go slower, arrive sooner.“ A. Goldberg
Wollt Ihr mehr zu diesem wichtigen und spannenden Gebiet der Sportpsychologie erfahren?
Vom 22.-23.03.2019 habt Ihr die Möglichkeit praxisnahe Methoden und Techniken der von einem über die Landesgrenzen hinaus anerkannten Experten zu erlernen.
Der Sportpsychologe Prof. Dr. Thorsten Weidig wird Euch die motivierende Gesprächsführung näher bringen und Werkzeuge für die Arbeit mit verletzten Sportlern bereitstellen.
Tickets und weitere Infos findet ihr hier.

Literatur
​Brewer, B.W., Linder, D.E., & Phelps, C.M. (1995). Situational correlates of emotional adjustment to athletic injury. Clin J Sport Med; 5: 241–245.
Clement, D., Arvinen-Barrow, M. & Fetty, T. (2015). Psychosocial Responses During Different Phases of Sport-Injury Rehabilitation: A Qualitative Study. J Athl Tr; 50(1): 95-104.
Johnston, L.H. & Carroll, D. (2000). The psychological impact of injury: effects of prior sport and exercise involvement. Br J Sports Med; 34: 436-439.
McDonald, S.A. & Hardx, C.J. (1990). Affective response patterns of the injured athlete: an exploratory analysis. Sport Psych; 4:261-274.
Newcomer Appaneal, R., Rockhill Levine, B., Perna, F.M. & Roh, J.L. (2009). Measuring Postinjury Depression Among Male and Female Competitive Athletes. J Sport & Psych; 31: 60-76.
Webster, K.E. & Feller, J.A. (2018). Development and Validation of a Short Version of the Anterior Cruciate Ligament Return to Sport After Injury (ACL-RSI) Scale. Orth J Sports Med; 6(4): DOI: 10.1177/2325967118763763

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