Pascale GränicherZur Bearbeitung hier klicken Neuer Erstbefund kurz vor Feierabend. Noch bevor ich den Herrn im Wartebereich begrüssen kann, werde ich von seinem Wortschwall eingedeckt: „Ich bin ja eigentlich schon in der Physio“, „Ich kenne schon alles, ich habe schon jegliches ausprobiert“, „Mein Rücken ist einfach nicht gut, wegen der Haltung oder so, er tut einfach weh“, „Alles hat nichts geholfen bisher…“….
Während ich den kreuzleidenden Patienten ins Behandlungszimmer bugsiere wird mir kaum ein Wort gewährt. „Also eigentlich bin ich hier für Massage.“ Erwartungsvoller Blick. Nur nicht laut denken Mein Magen verknotet sich, einmal tief durchatmen, freundlich lächeln: „Sie sind heute hier für einen Physiotherapietermin, das ist Ihnen bewusst, nehme ich an? Im Obergeschoss können Sie sich für Massagen anmelden was allerdings nicht durch die Grundversicherung abgedeckt ist.“ – „Ja, ja, aber ich bin ja schon in Therapie und habe ganz viele Übungen und soll dieses und jenes machen. Aber trotzdem ist das Rückenweh noch da.“ Wild gestikulierend versucht mir der Herr seine schmerzende Stelle im mittleren Rücken zu zeigen. „Und jetzt möchte ich Massage haben.“ Trotziger Blick. In den folgenden 20min versuche ich, wenn ich denn zu Wort komme, einerseits den Unterschied zwischen Physiotherapie und Wellnessmassage zu erläutern, die Bedeutung einer lösungsorientierten Behandlung zu verdeutlichen und gleichzeitig eine Anamnese durchzuführen. Kläglich gescheitert im Prozess. Ich habe das Gefühl, meine tollen, wissenschaftlich fundierten Erklärungsversuche und praktikablen, alltagsnahen Ratschläge sickern zu dem Herrn nicht durch. Also wirklich gar nicht. Will ich das können? In den vier Jahren des Bachelor-Studiums behandelten wir ca. einen Nachmittag lang das Thema „klassische Massage“. Warum haben die meisten Leute das Gefühl, dass Physiotherapie nur aus massieren besteht? Gibt es so viele Therapeuten die aus der scheinbar grenzenlosen Auswahl an Interventionen und Methoden nur diese eine wählen und anwenden? Wo sind die hypothesengesteuerten Behandlungen? Wird der Therapiefortschritt überprüft und evaluiert? Wird ein Ziel formuliert oder überlegt? Ich frage mich, was die Gesellschaft für ein Bild von mir als Physiotherapeutin hat… Auf meine Nachfrage hin, ob der Herr denn seine Übungen aus der vorangehenden Therapie auch mache, verneint er kurzangebunden. Es habe ja nichts gebracht. Ob er denn während den Übungen müde geworden sei? Wird ebenfalls verneint. Er habe sie einfach irgendwie gemacht. Nach dem Termin fühle ich mich leergesogen und ausgelaugt. Wir verbleiben so, dass sich der Herr gerne wieder melden kann, wenn er bereit ist, einen neuen Anlauf für gezielte Physiotherapie zu starten. Ansonsten solle er sich mit seinem Anliegen zur Wellnessbehandlung gerne bei einem Masseur melden. Ein irritierter Patient und eine frustrierte Therapeutin verabschieden sich. Adieu, Merci und auf Nimmerwiedersehen. Dachte ich. Der Morgen danach Am nächsten Tag teilt mir das Sekretariat mit, dass sich der besagte Herr für einen weiteren Termin bei mir angemeldet habe. Nun bin ich natürlich gespannt, ob tatsächlich ein kleines Bröcklein meiner Edukationsversuche hängen geblieben ist, oder ob das Ganze Prozedere von vorn los geht…. Aufgrund der völlig divergenten Erwartungshaltungen entstehen auf Therapeuten- oder Patientenseite immer wieder unnötig unangenehme Situationen. Klar kann ich mich an die vier Ohren erinnern, aber so ganz einfach ist die Umsetzung dann doch nicht. Bzw. nicht immer ein nützliches Tool. Inhalte müssen her! Ich würde mir wünschen, dass ich in solchen Momenten geschickter kommunizieren und die Leute gezielter abholen könnte. Und das ich aufgrund einer solchen Begegnung nicht jedes Mal meine ganze Berufswahl in Frage stelle. Das ist auf die Dauer ziemlich anstrengend. Zudem sollten Aussagen von Patienten nicht meinen Magen verknoten – eine Reaktion die wohl auch deutlich macht, dass ich mich in der Situation nicht wohl fühle oder nicht in der Lage bin, sie ohne weiteres zu handeln. Auf das zweitägige Seminar mit Prof. Dr. Thorsten Weidig vom 22. bis 23. März in Zürich freue ich mich nun sehr. Ich bin gespannt, welche Inputs er mir im Bereich Kommunikation und Motivation bei der Behandlung meiner Patienten und Athleten mitgibt. Der konstruktive Umgang mit verbalen oder non-verbalen kommunizierten Erwartungen und Annahmen ist mir wichtig. Und ich würde gern laut denken! Dafür sollten meine Gedanken aber bitteschön etwas eloquenter sein. Wenn auch Du Interesse hast, deine Fähigkeiten im Bereich der patientenzentrierten Kommunikation zu verbessern – es sind noch ein paar wenige Early Bird-Plätze frei! Mehr Infos zum Seminar und Tickets gibt’s hier.
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AutorSchreiben Sie etwas über sich. Es muss nichts ausgefallenes sein, nur ein kleiner Überblick. Archiv
September 2023
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